Donnerstag, 20. Februar 2014

Strumpfträger-Kidnapping [Rezension]

"Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers" lautet der Titel des Romans, den mir Blogg dein Buch und der Heyne-Verlag freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Ehrlich gesagt, habe ich mich eigentlich nur wegen dieses Titels, den ich herrlich absurd finde, für ein Rezensionsexemplar beworben. Schon auf der ersten Seite wird deutlich, worum es geht: die fiktive Entführung von Günther Jauch. Ab der zweiten Seite wird die Geschichte dann von Beginn an erzählt. In den Hauptrollen: Der Ich-Erzähler Paul, der auf dem Land einen kleinen Supermarkt betreibt und sein Mitbewohner Herr Müller, der auch schon mal die Wäscheklammern im Haushalt zweckentfremdet, um damit im gemeinsamen Wohnzimmer seine sexuellen Neigungen zu ergründen. Grund dafür ist seine neue Liebe Katja, die davon träumt, eines Tages die Stimme im Navigationssystem zu sein und ansonsten durch absolute Unkenntnis prominenter Personen auffällt. Das Hobby von Paul und Herrn Müller ist es, sich gemeinsam "Wer wird Millionär" anzusehen. Seit der Erstausstrahlung haben die beiden keine Sendung verpasst, kennen die Strukturen der Show genau und hoffen seit Jahren, eines Tages auch selbst einmal auf dem Stuhl zu landen. Entsprechend groß ist die Begeisterung, als Paul diese Gelegenheit erhält und umso größer die Enttäuschung, als er es dann nicht einmal durch die Auswahlrunde im Studio schafft. Auf dem Nährboden dieser Frustration reift um die einhundertste Seite herum der Plan, der im Titel schon anklingt: Die drei Hobby-Ganoven entführen Günther Jauch, um auf diesen Weg an die Million zu kommen. Sie geben vor, ihn als "Strumpfträger des Jahres" auszeichnen zu wollen (keine unrealistische Idee, ist er doch schließlich schon u.a. Krawattenmann des Jahres) und locken ihn so in eine Falle. Was dann passiert? 
"Günther Jauch öffnet die Augen. 'Was soll das?', fragt er. 'Wir haben Sie entführt, Herr Jauch', sagt Katja. Günther Jauch verdreht genervt die Augen. 'Och nee. Nicht schon wieder!', sagt er." (S. 145)
Er holt die Nummer der Entführunghotline für Prominente aus seinem Portmonee, erhöht erstmal sein Lösegeld und diktiert den Einkaufszettel für seinen weiteren Aufenthalt. 

Das Buch ist mit insgesamt 288 Seiten umfangreicher, als Titel und Aufmachung es mich erwarten ließen. Absurd wie der Titel ist auch die Geschichte, die für mich in der ersten Hälfte etwas dahinplätschert. In der zweiten Hälfte, ungefähr ab der oben zitierten Stelle, gewinnt die Geschichte etwas an Fahrt und wird zugleich immer abstruser. Eine besondere Art von Humor, die vielleicht nicht jeden Lesergeschmack trifft. Der Autor, Christian Ritter, Jg. 1983, hat Germanistik, Journalistik und Europäische Ethnologie studiert. Seit einigen Jahren macht er sich als Poetry Slammer einen Namen. 
Für den Preis von 8,99 Euro ist das Buch sicher nicht zu teuer, kaufen würde ich persönlich es jedoch dennoch nicht. Es ist schlicht kein Buch mit dem Potential, mich nachhaltig zu begeistern. Wenn ich etwas leichte Unterhaltung für eine Zugfahrt oder einen Strandtag im Urlaub suchen würde und es mir dafür in einer Bücherei ausgeliehen hätte, hätte ich aber alles richtig gemacht. Kurz gesagt: Kann man lesen, muss man aber nicht. 
Noch mehr als über das Buch habe ich übrigens darüber gelacht, dass die Geschichte tatsächlich zum Titelthema eines Boulevardblättchens wurde. Die "Woche heute" nahm den Roman zum Anlass, um über "Günther Jauchs Entführungsdrama. Alle Hintergründe der unglaublichen Geschichte" zu berichten. Dabei hinterfragten sie auch kritisch, welche Mitschuld den Autoren treffen könnte, sollte das Buch Menschen dazu inspirieren, das dortige Entführungsszenario tatsächlich in die Tat umzusetzen (hiervor wird im Übrigen im Nachwort deutlich gewarnt!). Da hat wohl die Redaktion diesen Roman ernster genommen als der Autor sich und sein Buch selber. Ich habe mich jedenfalls sehr darüber amüsiert. Christian Ritters Eindrücke zu diesem Vorgang kann man *hier* nachlesen. Bestellen kann man das Buch u.a. *hier* oder in jeder Buchhandlung vor Ort.

PS: Da mir gerade auffällt, dass mit der Erwähnung von "Potsdam" im Titel dieser Roman auch die Kriterien des Buchthemas der "Lesenden Minderheit" für das erste Quartal 2014 erfüllt ("Lies ein Buch, in dessen Titel ein Ort oder Land vorkommt!"), werde ich diesen Post auch dorthin verlinken.

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