Freitag, 28. Juni 2024

"Bitterkaltes Land" [Rezension, Werbung]

Nachts im Wald, auf dem Rückweg von einer gemeinsamen Feier, entdeckt das Team der Mordbereitschaft ein brennendes Haus und ein Todesopfer: die Journalistin Viktoria Beck. Die Kriminalpolizistinnen Banu Kurtoğlu und Stella Brandes nehmen die Ermittlungen auf. Unter Verdacht gerät der Ex-Mann. Doch die letzten Recherchen der Journalistin führen auch zu einer Familie, die glaubt, von Dämonen heimgesucht zu werden, zu einer Gruppe, die sich selbst die "Hansehexen" nennt und schließlich tiefer in die Vergangenheit zum Thema Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg.

"Bitterkaltes Land" ist schon der 5. Band des Ermittlerduos Brandes und Kurtoğlu. Ich selbst kenne die übrigen vier bislang nicht und hätte sonst die Entwicklungen im Privatleben der Ermittlerinnen an manchen Stellen vielleicht anderes einordnen können, konnte diesen Krimi aber dennoch auch ohne dieses Vorwissen sehr gut lesen. 

Ansprechend fand ich direkt den Titel, der sich zudem so gut auf den Handlungsort reimt, wie auch das Coverbild. Mit der Apfelblüte im Vordergrund und dem unscharfen, aber erkennbaren Leuchtturm im Hintergrund transportiert es direkt einen visuellen Eindruck vom Alten Land, diesem Obstanbaugebiet im Südwesten von Hamburg, das insbesondere im Mai zur Obstblüte sicherlich einen Besuch wert ist. Der Autorin, Regine Seemann, ist dieser Landstrich selbst gut bekannt. Im Nachwort erfährt man, dass sie in Hamburg lebt, in ihrer Kindheit viele Radtouren zu den Obsthöfen ins Alte Land unternahm und auf einem dieser Höfe auch eine Zeit lang ihre Pferde stehen hatte.

Ihr geschichtliches Interesse wird daran erkennbar, dass "Bitterkaltes Land" auf zwei Zeitebenen spielt. Während der aktuelle Kriminalfall den Kapitelüberschriften zufolge zwischen dem 30. April und dem 18. Mai 2018 gelöst wird, gibt es immer wieder Sprünge in die Jahre 1943/44 und bald wird klar, dass hier Zusammenhänge bestehen. Mich hat insbesondere der Erzählstrang in den Bann gezogen, den Regine Seemann um die Kinder der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entwickelte, die in den Jahren des Zweiten Weltkriegs im Alten Land beschäftigt waren. Diese Kinder wurden in so genannten fremdvölkischen Kinderheimen geboren, innerhalb weniger Tage abgestillt und dann so vernachlässigt, dass viele von ihnen starben. Der Fokus lag einzig darauf, dass ihre Mütter so schnell wieder arbeitsfähig waren. Zum Mordfall der Gegenwart kommt diese unfassbare Grausamkeit der Vergangenheit hinzu und stellt das Ermittlerinnenduo vor manche Frage.

Ein kurzweiliger Regionalkrimi aus dem Alten Land mit vielschichtigen, gut recherchierten, historischen Bezügen.

Donnerstag, 27. Juni 2024

"Verrat auf Helgoland" [Rezension, Werbung]

"Dieses Mal wird es richtiger Urlaub", denkt sich Kommissarin Friederike von Menkendorf, als sie auf die Nordseeinsel Helgoland übersetzt. Ein Urlaub, den sie auch nutzen möchte, um ihren Freund Harry Kruss von der Helgoländer Wasserschutzpolizei zu sehen und vielleicht etwas Klarheit in ihre Beziehung zueinander zu bekommen. Harry ist jedoch nun mit Jana zusammen, die für das Marketing der Insel zuständig ist und gerade sehr unter Druck steht. Ein einflussreicher Journalist reist an, der mit einem positiven Beitrag der Insel viele neue Buchungen bescheren könnte, allerdings auch für bitterböse Verrisse bekannt ist. Er soll Helgolands reizvollste Seiten kennenlernen. Leider entpuppt er sich als ziemlicher Widerling, was es den Leserinnen und Lesern leichter macht, sich nach etwa einem Viertel der Geschichte von ihm zu verabschieden: Er wird tot in der Kapitänssuite aufgefunden. Unter Verdacht stehen schnell seine Noch Ehefrau und sein Nicht-mehr-Geschäftspartner, doch auch einige andere Personen auf der Insel haben ihre Geheimnisse. Und welche Rolle spielt die Hotelbesitzerin, der es ein großes Anliegen ist, ein Stück der Geschichte Helgolands in neuem Licht erscheinen zu lassen? Licht ins Dunkel könnten vielleicht die Filmaufnahmen des Journalisten bringen, doch die scheinen verschwunden zu sein.

Wetter, Wind und Wellen sorgen dafür, dass kaum jemand im Zeitraum der Handlung die Insel erreichen oder verlassen kann. Der Täter oder die Täterin müssen sich also noch auf der nur etwa einen Quadratkilometer großen Hochseeinsel aufhalten. Da so auch keine Verstärkung möglich ist, findet zudem der Urlaub von Friederike von Menkendorf ein rasches Ende. Gemeinsam mit Harry Kruss nimmt sie die Ermittlungen auf.

Auf 374 Seiten gelingt es der Autorin, Susanne Ziegert, die selbst in Norddeutschland lebt, verschiedene Plots miteinander zu verflechten: Der Angriff auf Helgoland in der NS-Zeit und der gescheiterte Versuch einer Widerstandsgruppe, die Insel vorher friedlich zu übergeben, stehen im Mittelpunkt. Dazu wird die aktuelle Geschichte immer wieder um fiktive Tagebuch-Einträge aus der Vergangenheit angereichert. Parallele Handlungsstränge drehen sich um den geschassten Geschäftsführer, um sexuelle Übergriffe und zwischenmenschliche Beziehungsfragen.  

"Verrat auf Helgoland" ist der mittlerweile fünfte Band von Susanne Ziegert um die Kommissarin Friederike von Menkendorf, den man aber auch sehr gut lesen kann, ohne die anderen zu kennen. Sie alle spielen an der Nordsee. Insbesondere die historischen Bezüge, aber auch die Schilderungen des abgeschiedenen Handlungsorts mit seinen roten Felsen und kleinen Häuschen, haben das Buch für mich lesenswert gemacht. Interessante Lektüre für den nächsten Nordseeurlaub - insbesondere für Krimifans!