Seiten

Sonntag, 8. Januar 2023

"Andere Sterne" [Rezension, Werbung]

"Wunder geschehen", sagte der Hausmeister oft. "Manchmal gibt es einfach keinen Ausweg, und dann geschieht ein Wunder." (S. 147)

Für Weihnachtsbücher habe ich eindeutig eine Schwäche. Als daher in der vergangenen Adventszeit die Gelegenheit bestand, im Rahmen des Instagram-Buchclubs @gemeinsam mitlesen sich zusammen in "Andere Sterne" zu vertiefen, habe ich mich gerne direkt um diese Möglichkeit beworben. Mein Rezensionsexemplar wurde mir vom Dumont-Verlag zur Verfügung gestellt. 

Der deutsche Untertitel "Eine Weihnachtsgeschichte" wie auch der norwegische Originaltitel "Stargate. En Julefortelling" weisen schon auf den Weihnachtsbezug hin, aber auch die ansprechende Optik und Haptik. Der schmale Band ist schlicht in adventlichem Rot gehalten, mit drei stilisierten Tannenbäumen, mit textilem Einband und Lesebändchen. Da macht schon das erste Auspacken Spaß. Die Autorin Ingvild H. Rishøi gewann u.a. für ihr Buch "Winternovellen" (das nun auch auf meinen Bücher-Wunschzettel gerutscht ist) 2014 den Kritikerpreis für das beste norwegische Buch. Auch ihre Kinderbücher wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. 

Die Geschichte dreht sich um zwei Schwester, das Schulkind Ronja und ihre ältere Schwester Melissa, die allein mit ihrem Vater in einem Osloer Arbeiterviertel wohnen. Ihr arbeitsloser Vater bekommt dank der Vermittlung von Ronja in der Weihnachtszeit wieder eine Arbeitsstelle, als Tannenbaumverkäufer. Für eine kurze Zeit wenden sich die Dinge zum Guten: Der Vater bleibt nüchtern, kauft Lebensmittel ein und Ronja hofft zu diesem Weihnachtsfest sogar auf einen eigenen Tannenbaum. Als er jedoch wieder zu trinken beginnt, verliert er die Stelle. Die Mädchen übernehmen - nicht ganz legal - seine harte Arbeit bei eisigen Temperaturen. 

Mich hat insbesondere berührt, dass die ganze Geschichte aus der Perspektive des jüngeren Mädchens geschrieben ist. Bei meiner beruflichen Tätigkeit, die im Kinderschutz angesiedelt ist, ist es mir immer wieder wichtig, die Perspektive der betroffenen Kinder vermitteln und einnehmen zu können. Literarisch ist dies hier sehr gelungen, inklusive der Ambivalenzen. Die beiden sind sehr auf sich gestellt, teils recht schutzlos, dennoch verliert Ronja nie die Hoffnung in aller Traurigkeit. Auch ihr Vater ist nicht gänzlich negativ dargestellt. 

Gefallen hat mir zudem, dass das Buch ohne jeden Kitsch daher kommt. Dennoch ist der Weihnachtsbezug allein schon durch das starke, sich durchziehende Bild des Tannenbaums sehr vorhanden, unter dem Ronja am Ende in einer Krisensituation sogar Schutz findet. Ich mochte auch einige der erwachsenen Randfiguren der Geschichte, insbesondere den Hausmeister der Schule, der aus der Ferne doch immer wieder bemüht ist, auf das Mädchen acht zu geben. 

Das Ende - soviel sei verraten - ist recht offen und mehrdeutig gestaltet. Mich hat es an das Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern erinnert. Vielleicht ist das beim Lesen im ersten Moment etwas unbefriedigend, sorgte bei mir aber zugleich auch dafür, dass das Buch noch etwas länger nachklang.

Ein sehr modernes, berührendes Weihnachtsmärchen, das durch die kindliche Erzählperspektive besticht und ausgesprochen gut unterm Tannenbaum gelesen werden kann.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schön, dass du bei mir zu Gast bist! Ich freue mich über jeden Kommentar!
Viele Grüße
Gesa