Freitag, 21. März 2014

Hühnerträume [Rezension]

"Aber es geht doch nur um ein Huhn?", sagt mein Liebster, als er merkt, dass ich beim Lesen immer wieder schlucken muss. Ja, es geht um ein Huhn. Und mehr. Die Henne Sprosse ist die Hauptfigur in dem kleinen Roman "Das Huhn, das vom Fliegen träumte". Sie fristet als Legehenne ein trostloses Dasein in einem kleinen Käfig. Durch die Stalltür kann sie einen Blick auf ein anderes Leben werfen. Sie beginnt zu träumen. Von diesem anderen Leben, in dem sie eines ihrer Eier behalten und ausbrüten kann. Ihr Schicksal scheint das nicht zu sein. "So, wie ich das Tor bewache und der Hahn den Tagesanbruch verkündet, bist du dazu da, in einem Käfig Eier zu legen", belehrt sie der Hofhund.
Doch Sprosses Sehnsucht nach einem selbst bestimmten Leben in Freiheit ist zu groß, um sich in ihr Schicksal zu fügen. Sie bricht aus. Ihr Glück scheint vollkommen, als sie ein verlassenes Nest mit einem Ei findet. Sie entscheidet sich, es auszubrüten. Aus dem Ei schlüpft aber nicht etwa ein Huhn, sondern eine kleine Wildente. Über die Artengrenzen hinweg und gegen den Widerstand der anderen Tiere entscheidet sie sich, dieses Küken zu lieben, ohne Wenn und Aber. Die beiden erkennen: "Nur, weil man zur selben Art gehört, heißt das nicht, dass man eine große glückliche Familie ist. Das Wichtigste ist, dass man sich versteht. Das ist Liebe!" Gemeinsam versuchen sie, ihr Leben in Freiheit zu gestalten - immer bedroht vom tödlichen Feind in Form eines Wiesels. Somit ist "Das Huhn, das vom Fliegen träumte" eben nicht nur ein Buch über ein Huhn, sondern auch ein tiefgründiges, beinahe philosophisches Buch über die Freiheit, über die Liebe, über den Wunsch nach Zugehörigkeit, das Abschied nehmen und den Kreislauf des Lebens. 
Wunderschön erzählt wird diese moderne Fabel von Sun-Mi Hang, Professorin für Literatur in Seoul. In ihrem Heimatland Korea hielt sich Sprosses Geschichte zehn Jahre lang auf der Bestsellerliste. Mit der Unterstützung des Literatur Translation Institute of Korea wurde die Geschichte nun auch ins Deutsche übersetzt und von dem Schweizer Verlag "Kein und Aber" im deutschsprachigen Raum veröffentlicht. Liebevolle Illustrationen von Nomoco begleiten die Geschichte. Ich habe dieses Buch, das mir freundlicherweise von "Blogg dein Buch" zur Verfügung gestellt wurde, an einem Nachmittag verschlungen. Mein Fazit: Eine berührende, zauberhafte kleine Fabel. Wegen Büchern wie diesen lasse ich mich immer wieder auf Rezensionsexemplare ein. Ich werde dadurch auf Bücher aufmerksam, die mir im Buchhandel vielleicht nicht aufgefallen wären. Und manchmal sind kleine Juwele wie dieses dabei. 

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Gesa